· 

Die späte Ankunft in der Realität

Sie halten im Seelsorgebereich Obermain-Jura alle zusammen: Pfarrvikar Georg Birkel (von links), Heidi Stehl, Diakon Konrad Funk, Norbert Kraus, VL Niklas Stadelmann, Diakon Rainer Daum und Leitender Pfarrer Christian Montag. Foto: kem
Sie halten im Seelsorgebereich Obermain-Jura alle zusammen: Pfarrvikar Georg Birkel (von links), Heidi Stehl, Diakon Konrad Funk, Norbert Kraus, VL Niklas Stadelmann, Diakon Rainer Daum und Leitender Pfarrer Christian Montag. Foto: kem

Weismain (kem) – Den Seelsorgebereich Obermain-Jura kann man geografisch leicht in Nord und Süd einteilen. Im Norden mit den Städten Altenkunstadt und Burgkunstadt, im Süden mit Weismain, dem Verwaltungssitz des Seelsorgebereichs – und in der Mitte der Kordigast als natürliche Grenze. 

 

Doch nicht nur auf der Landkarte ist der Seelsorgebereich zweigeteilt. „Mit dem Kloster in Altenkunstadt und den ursprünglich dort ansässigen drei Padres gab es bis zum heutigen Tag kaum die Notwendigkeit, seelsorgerisch etwas anzupassen“, sagt der Leitende Pfarrer des Seelsorgebereichs, Christian Montag. Während im Süden, in Weismain und Umgebung, bereits der Pfarrer von Pfarrei zu Pfarrei zog und dort Gottesdienste hielt, waren die Pfarreien im Norden durch die Besetzung der Franziskaner personell sehr gesegnet. 

 

Doch mit der Schließung des „Domus Religiosus“ (religiöses Haus) – die Einheimischen sprachen trotzdem von Kloster – aus Altenkunstadt zum 1. September wird sich auch der Norden an die neue Situation anpassen müssen. Diakon Konrad Funk fasst es so zusammen: „Wir sind wie andere Seelsorgebereiche in der Realität angekommen, aber eben erst später.“ Und Christian Montag ergänzt: „Wir hatten bisher eine ,Strukturreform light‘. Jetzt kommen die nördlichen Pfarreien dran. Aber ich mache mir da wenig Sorgen.“

 

Bereits an anderer Stelle initiierte der Leitende Pfarrer, der erst seit September 2023 im Amt ist, Veränderungen – immer im Dialog mit den Menschen vor Ort. „Ich habe ihnen gesagt, dass wir das Ganze als Testphase sehen und uns nach einem halben Jahr zusammensetzen. Das war für alle in Ordnung.“ Diese Testphase betraf die seelsorgebereichsübergreifende Gottesdienstordnung und die Wort-Gottes-Feiern rund um Weismain. Beides  stieß auf Verständnis aus den Gemeinden. „Die Leute können ja auch nachrechnen und kommen bei einem Priester im Weismainer Bereich auf eine gewisse Anzahl an Gottesdiensten. Da haben dann alle schon verstanden, dass nicht mehr alles machbar ist“, erklärt der Leitende Pfarrer. Damals wurde neben den drei Sonntagsgottesdiensten in einer der vier südlichen Gemeinden auch eine Wort-Gottes-Feier angeboten. „Nach der Testphase haben wir uns wieder getroffen und es hat sich gezeigt, dass auch bei den Wort-Gottes-Feiern 30 bis 40 Gläubige in der Kirche waren. Also haben wir unser System so gelassen“, erinnert sich Montag. 

 

Mit weniger zurecht kommen

 

Auch mit den nördlichen Pfarreien hat er diese Testphase bis zum Jahresende geplant, will diese große Umstellung langsameinführen. Denn die Menschen müssen trotzdem mit weniger zurecht kommen. „Wir hatten in jeder Pfarrei bisher mindestens eine Sonntagsmesse plus eine Wochentagsmesse. Darüber hinaus gab es in den großen Pfarreien teils eine weitere Eucharistiefeier am Wochenende“, rechnet Verwaltungsleiter Niklas Stadelmann vor. „Das ist jetzt vorbei.“ Und das, obwohl die Beteiligung an den Gottesdiensten durchaus hoch war. Auch der neue Leitende Pfarrer war davon überrascht. „Wenn ich in meinen alten Pfarreien unter der Woche eine Messe hielt, waren da vielleicht zehn Leute. Zuletzt war ich in Modschiedel zum Werktagsgottesdienst an einem Donnerstag, da waren 50 Besucherinnen und Besucher, so Montag.

 

Nichtsdestotrotz müssen auch sie mit den Einschnitten künftig umgehen lernen. Aber Pfarrer Montag sieht hier auch eine große Chance, Leute zu motivieren, sich wieder mehr in der Kirche zu engagieren. Erst jüngst, als er die Einschnitte bei einer Seelsorgebereichsratssitzung erklärte, kamen im Anschluss vier Teilnehmende auf ihn zu, dass auch sie sich vorstellen könnten Wort-Gottes-Leiter zu werden. Für Georg Birkel wäre zukunftweisend, dass mehr Menschen ihr Charisma entdecken und leben und Glauben auch für andere fruchtbar machen.. „Hier ist die Chance, dass manches zusammenwächst und die Leute merken, dass es auch eine Win-Win-Situation sein kann, wenn nicht allein die Geweihten im Blick sind.“ Der Pfarrvikar war bis 2023 Leitender Pfarrer im SSB Gottesgarten – mit ihm arbeitete Pfarrvikar Christian Montag. Nun haben beide die Rollen getauscht, Birkel wird ab September schwerpunktmäßig die nördlichen Pfarreien betreuen und Pfarrer Montag unterstützen.

 

Engagement überall

 

Unterstützung gibt es exponentiell von den Ehrenamtlichen. „Das ist schön zu beobachten, dass die Leute sich wieder mehr zur Arbeit in der Pfarrei bereit erklären“, sagt Niklas Stadelmann. Konrad Funk sieht dieses Engagement in allen Bereichen. „Wir haben ein Kinderkirche-Team, in der Ökumene brennen sie auf Zusammenarbeit, Kinderschola, Seniorenkreise, außerdem soll in Weismain eine Kolpingjugend entstehen.“

 

Doch in Sachen Zusammenwachsen ist man verständlicherweise noch nicht so weit im Seelsorgebereich. „Das muss wachsen, momentan ist da noch Verunsicherung zu spüren“, erklärt Heidi Stehl. Sie steht zusammen mit Norbert Kraus dem Seelsorgebereichsrat vor und ist noch näher „an der Basis“ dran. Doch auch für sie ist die Umstellung alternativlos. „Das ist eine Sache der Gewohnheit. Das wird mit der Zeit schon.“ Zum Zusammenwachsen sollen auch gemeinsame Aktionen beitragen. So gab es bereits vor Corona einen gemeinsamen Gottesdienst aller Pfarreien auf dem „Hausberg“ des Seelsorgebereichs, dem Kordigast. „Da kamen mehrere hundert Gläubige und es gab in den Kirchen keinen anderen Gottesdienst. Jede Pfarrei pilgerte in einer Sternwallfahrt auf den Berg. Das war unser erstes umgesetztes Projekt“, erinnert sich Norbert Kraus. „Hier kamen auch alle Geistlichen dazu. Da hat man schon die Gemeinschaft gespürt“, ergänzt Heidi Stehl. 

 

Auch eine Seelsorgebereichs-Schola wurde gegründet mit Sängern aus verschiedenen Kirchenchören, die von Pfarrei zu Pfarrei zieht und das Stundengebet feiert. Wann der Chor singt, steht zum Beispiel auch in der gemeinsamen Gottesdienstordnung, die die Menschen inzwischen auch lieb gewonnen haben. „Am Anfang hat es da schon Kritik gegeben. Aber jetzt sehen sie es sehr positiv, dass sie schon vier Wochen im Voraus planen können, wann, wo und für wen die Gottesdienste sind“, so Pfarrer Montag.

 

Ein Baustein sind auch die Segensfeiern für pflegende Angehörige, die in Weismain angeboten werden. „Bereits beim ersten Mal haben wir da gesehen, dass Menschen aus dem gesamten Seelsorgebereich gekommen sind“, so Diakon Funk, der sich – genauso wie das gesamte Pastoralteam – bewusst ist, dass es die besonderen Angebote sind, die künftig Leute von einer Pfarrei in eine andere gehen lassen. Für Christian Montag ist das ein wichtiger Punkt des Zusammenwachsens. „Wir können zwar nicht mehr alles überall anbieten, aber wir werden im Seniorenbereich, in der Jugend, bei jungen Familien die Angebote spezialisieren, damit der Austausch noch enger wird.“

 

Wichtig sind dafür gute Konzepte sowie engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Beides gibt es im Seelsorgebereich zur Genüge. So kann es nördlich und südlich des Kordigast gelingen, aus dem vermeintlichen Problem der großen Einheit, etwas Gutes wachsen zu lassen. Oder wie es Pfarrvikar Birkel sagt: „In der Geschichte gab es oft Einschnitte und Katastrophen. Doch daraus entstand immer eine Erneuerung der Kirche.“