· 

Probleme ernst nehmen, nicht schönreden

Dresden / Erfurt (KNA) – Als eine Herausforderung für alle haben Thüringens katholische Bischöfe das Wahlergebnis im Freistaat bezeichnet. In einer vom Bistum Erfurt veröffentlichten Erklärung heißt es: „Wir brauchen eine stabile und verlässliche Regierung, die die Probleme unseres Landes mit Herz und Zuversicht anpackt.“ Die Bischöfe ermutigten alle Verantwortlichen, den Willen zur gemeinsamen Problemlösung stets über die eigenen parteipolitischen Ziele zu stellen: „Wir sind überzeugt, dass dies der einzige Weg ist, um die vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern und die Menschen, die der Demokratie generell nicht mehr vertrauen, wieder zurückzugewinnen.“

 

Neben dem Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr unterzeichneten das Schreiben die Bischöfe Heinrich Timmerevers (Dresden-Meißen) und Michael Gerber (Fulda), deren Bistümer nach Thüringen hineinreichen.

 

Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen haben Kirchen, Verbände und Fachleute mit Besorgnis auf die Ergebnisse und das Erstarken der Ränder reagiert. Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, erklärte, der Wahlausgang zeige, „dass die Saat populistischer und extremistischer Kräfte immer mehr aufgeht“. Es komme jetzt darauf an, demokratische Mehrheiten jenseits der AfD für Regierungsbündnisse zu nutzen. Mehr als 30 Prozent für die AfD in Sachsen und Thüringen seien „erschreckende Ergebnisse“, die ganz Deutschland beschäftigen müssten. 

 

Der Deutsche Caritasverband erklärte: „Wer genau hinhört, spürt ein großes Bedürfnis nach Sicherheit – gerade auch nach sozialer Sicherheit.“ Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa fügte hinzu: „Ein starker Sozialstaat, der verlässlich die Nöte der Menschen absichert, ist auf das Miteinander aller staatlichen Ebenen ebenso angewiesen wie auf das gute Miteinander von öffentlicher und Freier Wohlfahrtspflege.“ Sachsens Bischöfe riefen die Parteien auf, die Hoffnungen der Wähler ernst zu nehmen: „Der neu gewählte Landtag ist mit seinen sieben Parteien so bunt wie nie zuvor. Auch wenn die Ränder stärker geworden sind, spiegelt er die Vielfalt der sächsischen Gesellschaft wider“, so der katholische Bischof Heinrich Timmerevers und der evangelische Landesbischof Tobias Bilz in einer gemeinsamen Erklärung. 

 

Sie verwiesen auf die hohe Wahlbeteiligung von 74,4 Prozent. Darin spiegele sich ein großes Interesse an politischer Mitbestimmung wider: „Hinter den Prozentsätzen stehen Hoffnungen von Menschen. Hoffnungen, dass ihre Anliegen ernst genommen werden.“ Die Kirchen sicherten der sächsischen Politik ihre Unterstützung mit ihren Möglichkeiten zu. Gleichzeitig erneuerten sie ihren Appell, „Menschenfeindlichkeit sowie extremistischem und nationalistischem Gedankengut keinen Platz in unserem Land zu geben.“

 

Der Leipziger Demokratie- und Populismusforscher Gert Pickel mahnte im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): „Man sollte nicht den Schluss ziehen, aus machtpolitischen Gründen doch mit der AfD kooperieren zu wollen, weil es eine demokratisch gewählte Partei ist. Das hat noch nie funktioniert.“ Auch sollten sich die etablierten demokratischen Parteien nicht auf das Feld der AfD ziehen lassen und rechten Themen folgen, sondern mit ihrem Kompetenzen eigene setzen: „Man wird keine Wähler hinzugewinnen, wenn man selbst plötzlich eine härtere Migrationspolitik fährt. Man bestätigt nur, was die AfD dazu gesagt hat.“ 

 

Die Konferenz der Europäischen Rabbiner erklärte, die Wahlergebnisse seien „ein klarer und deutlicher Weckruf an die Parteien der Mitte in Deutschland, nicht länger die wirklichen Sorgen und Existenzängste der Menschen zu ignorieren, gar schön zu reden oder ins Lächerliche zu ziehen“. Das betreffe vor allem die Fragen der Migration und inneren Sicherheit, die sich zu einem „wirklichen Antisemitismusproblem und Sicherheitsproblem“ entwickelt hätten.