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Ton in Asyldebatte wird immer schärfer

Bonn (KNA) – Am Montag sollen die von Bundesinnenministern Nancy Faeser angekündigten Kontrollen an sämtlichen deutschen Landesgrenzen starten. Mit der Maßnahme wolle man in den kommenden sechs Monaten "die irreguläre Migration weiter zurückdrängen, Schleuser stoppen, Kriminellen das Handwerk legen, Islamisten erkennen und

aufhalten", sagte die SPD-Politikerin.

 

Experten wie der österreichische Migrationsforscher Gerald Knaus melden Zweifel an. Die Erwartung, dass man auf diese Weise und unter Beachtung der geltenden Rechtslage die irreguläre Migration reduzieren könne, werde sich vermutlich nicht erfüllen, sagte Knaus.

 

Aber all das scheint in diesen Tagen keine besondere Rolle zu spielen. Drei Wochen nach dem mutmaßlich islamistischen Messerangriff von Solingen und zwei Wochen nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, bei denen die AfD jeweils über 30 Prozent der Stimmen bekam, ist die Debatte über einen härteren Kurs in der Asylpolitik

voll entbrannt.

 

Vor allem die Union macht Druck. CSU-Vize Manfred Weber, Europaparlamentarier und Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), sagte, Solingen müsse zum "Weckruf über Deutschland hinaus" werden, um die illegale Migration konsequenter zu bekämpfen.

 

Rufe nach Zurückweisungen

Webers Parteifreund Alexander Dobrindt zitieren Zeitungen mit den Worten: "Wir sind an einem gesellschaftlichen Kipppunkt angelangt." Kurz zuvor hatte CDU-Chef Friedrich Merz für Schlagzeilen gesorgt, als er umfassende

Zurückweisungen von Geflüchteten an der Grenze forderte und dabei auch Asylbewerber mit einschloss.

 

Bislang sind solche Zurückweisungen nur möglich, wenn ein Einreiseverbot besteht oder die betreffende Person kein Asylgesuch vorbringt. Wird jedoch ein Asylantrag gestellt, so ist laut dem EU-weit geltenden Dublin-Abkommen ein entsprechendes Verfahren einzuleiten. Neben Vertretern der Union plädieren inzwischen auch Politiker andere Parteien dafür, auszuloten, wie dehnbar dieser rechtliche Rahmen ist.

 

Dazu gehört Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). "Ich erwarte von der Bundesebene, dass sie jetzt zügig Entscheidungen trifft", sagte Woidke am Wochenende. In seinem Bundesland wird am kommenden Sonntag gewählt. Auch hier könnte die AfD fast jede dritte Wählerstimme gewinnen.

 

Von einem "Überbietungswettbewerb asylrechtlicher Verschärfungen" sprach bereits am Donnerstag der katholische Flüchtlingsbischof Stefan Heße. Das europäische Projekt werde gefährdet, wenn im größten Mitgliedstaat der EU Forderungen laut würden, sich über gemeinsames Recht hinwegzusetzen, warnte der Erzbischof von Hamburg.

 

Absage an "Festung Europa"

Auch der Münchner Kardinal Reinhard Marx blickt kritisch auf die Debatte. "Die Vorstellung einer in sich geschlossenen 'Festung Europa', auch einer 'Festung Deutschland', in allen Dimensionen ist nicht zukunftsfähig", so der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz.

 

Während das Unbehagen über manche Einlassung wächst, meldet sich die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht zu Wort. Anstatt "mit hohen Leistungen für Asylbewerber neue Flüchtlinge anzulocken", forderte Wagenknecht, dass "diese Mittel für höhere Renten und eine bessere Gesundheitsversorgung der eigenen Bevölkerung eingesetzt werden".

 

Hoffen auf Versachlichung

Beobachter wie Knaus hoffen auf sachlichere Gespräche von Regierung und Opposition sowie Bund und Ländern nach der Landtagswahl in Brandenburg. Klar sei, dass es eine Krise gebe und etwas dagegen unternommen werden müsse, meinte der Sozialwissenschaftler.

 

"Es geht vor allem um juristische Fragen zur Handhabung der Dublin-Abkommen, etwa die Frage nach der Zurückweisung an der Grenze, und da besteht Verbesserungs- und Reformbedarf, den man in

Übereinstimmung mit dem Europarecht herbeiführen muss», erläuterte die in Brandenburg lebende Schriftstellerin und Juristin Juli Zeh. "Das kriegt man schon hin, wenn man die Asylfrage nicht für den Versuch benutzt, der AfD Stimmen abzuwerben, was sowieso nicht funktioniert."

 

Schiff auf Felsen aufgelaufen

Beim Versuch, den Ärmelkanal von Frankreich nach Großbritannien zu überqueren, sind am Sonntag acht Menschen gestorben. Wie der Präfekt der französischen Provinz Pas-de-Calais, Jacques Billant, mitteilte, soll es sich bei den Ertrunkenen um acht männliche Migranten handeln, die in der Nacht gemeinsam mit 51 weiteren Menschen in einem Boot die Meerenge überqueren wollten. Das Schiff sei bald nach dem Start auf Felsen aufgelaufen.

 

Nach Angaben der französischen Küstenwache war das Boot überladen, in schlechtem Zustand und unzureichend mit Rettungswesten ausgestattet. Ein Rettungsteam sei noch in der Nacht, unmittelbar nach der Meldung des Unglücks aufgebrochen. "Die Helfer konnten verhindern, dass es weitere Opfer gibt", erklärte  Billant.

 

Bereits vor zwei Wochen waren beim Versuch einer Kanalüberquerung zwölf Menschen ertrunken. "Das ist eine schreckliche Bilanz", sagte der Präfekt. "Die Schleusernetzwerke setzen die Menschen zunehmend Risiken aus, auf einem schwer zu überquerenden Meer mit ungeeigneten Booten. Unter diesen Bedingungen heißt das, die Menschen buchstäblich dem Tod auszusetzen."