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Wie Kinder den Kölner Dom erleben - Große Kathedrale, kleines Publikum

Köln (KNA) – Fünf Kinderhände flitzen nach oben, als Thomas van Nies fragt, was es mit den goldenen Knöpfen und Broschen am Gewand der Marienstatue auf sich hat. "Die Frau soll geschmückt sein", ruft ein Junge. Van Nies nickt und fügt hinzu: "Gläubige, die Maria um Hilfe gebeten hatten, haben die Stücke aus Dank dort angebracht. Ihr Wunsch ging in Erfüllung." Van Nies ist Kunsthistoriker und an diesem Tag in einer besonderen Mission unterwegs. Als Leiter von Kinderführungen im Kölner Dom bringt er den jüngsten Besuchern das Kirchenmonument näher - und Orte im Dom, die man sonst nicht sieht.

 

Wenige Berührungspunkte mit der Kirche

 

Die Rundgänge unter dem Titel "Dom für Spürnasen" richten sich an Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren. Bei der aktuellen Führung sind zwölf Jungen und Mädchen dabei. Acht Erwachsene begleiten sie. Die "Spürnasen" sind aus ganz Deutschland angereist. Einen Vater zog es mit seinen zwei Söhnen aus Dresden in die Rheinmetropole. Die Initiative für den Dombesuch sei von seinem älteren Sohn ausgegangen. "Von familiärer Seite aus haben die Kinder eigentlich wenige Berührungspunkte mit der Kirche", erzählt das Elternteil. "Aber über den Religionsunterricht kommen die Kinder mit dem christlichen Glauben in Kontakt."

 

Nimmt die Nachfrage nach Führungen angesichts steigender Kirchenaustritte ab? Van Nies beobachtet das Gegenteil: "Die Zahlen steigen. Neben christlichen Kindern nehmen auch muslimisch geprägte Familien das Angebot wahr." Unter den muslimischen Kindern gebe es einige, die sich gut auskennen mit der Symbolik der Hohen Domkirche Sankt Petrus, wie sie offiziell heißt.

 

Interesse zeigen aber offenbar alle Kinder. Von Anfang an stellen die jungen Entdecker Fragen und machen Fotos, fast so, als wären sie auf Recherche für einen Zeitungsartikel. Je nach Wissenshorizont der Kinder variiert van Nies den Rundgang. "Ich merke früh, inwieweit die Teilnehmer mit der Symbolik kirchlicher Bauwerke vertraut sind." Er achte darauf, dass möglichst jeder in die Welt der "vollkommenen Kathedrale", wie der Dom von einigen Kunsthistorikern genannt wird, eintauchen könne.

 

Bestattung im Wandel

 

Spezielle Orte wie die Krypta bringt er den Kindern über Beispiele aus dem Alltag näher. "Wieso wünschten sich die Wohlhabenden, im Mittelalter möglichst in unmittelbarer Nähe zum Altar beerdigt zu werden?", fragt van Nies. "Weil die Menschen des Mittelalters glaubten, dass eine Bestattung in der Nähe zum Allerheiligsten mit einer besseren Chance verknüpft war, nach dem Tod nahe bei Gott zu sein." Der Kunsthistoriker erklärt, dass sich Beerdigungsrituale änderten, so wie sich heute Trends änderten. Erzählungen erlauben es Kindern, in die Vorstellungen früherer Generationen einzutauchen. Und ebenfalls in die Glaubenswelt heutiger Generationen, für die der Dom mehr ist als eine reine Sehenswürdigkeit.

 

Die Hauptattraktion für Justus, acht Jahre aus Münster, ist der Dreikönigenschrein. In dem vergoldeten Prunkstück sollen die Reliquien der Heiligen Drei Könige aufbewahrt sein. Aber wie lässt sich erklären, was eine Reliquie ist? Van Nies vermittelt das Konzept über eine persönliche Geschichte: "Meine geliebte Großmutter hinterließ mir nach ihrem Tod einen Ring. So habe ich etwas, das mich jeden Tag an sie erinnert." Auch Reliquien erfüllten ein Bedürfnis nach Verbindung zu einem Menschen, der den Gläubigen wichtig ist - Heilige und Figuren aus der Bibel.

 

Dom für alle

 

Immer wieder sorgen Nachfragen auch unter den älteren Teilnehmern für ein Schmunzeln. Zum Beispiel, als van Nies von dem Diebstahl des Ptolemäer-Kameo, eines wertvollen Edelsteins, berichtet. Das Juwel war 1574 entwendet worden. Später war es in Wien wieder aufgetaucht und lagert heute im Kunsthistorischen Museum der Stadt. "Habt ihr schonmal bei denen gefragt, ob sie euch den Edelstein nicht wieder zurückgeben?", fragt ein Kind.

 

Neben viel Spaß nehmen die großen und kleinen Besucher am Ende der Führung auch viel Lehrreiches mit nach Hause. "Wir haben Räume besucht und uns Dinge angeschaut, auf die wir ohne die Führung nicht gestoßen wären", sagen die Dertmanns, die Eltern von Justus. Für van Nies ist besonders eine Info wichtig, die er den Menschen mitgeben will: "Der Dom ist für alle da." So, wie die Domführung für "Spürnasen".