Wien (KNA) – Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, hat einen konkreten Plan für die Zeit nach dem Krieg im Heiligen Land angemahnt. Einen solchen Plan vermisse er bisher, so Pizzaballa im Interview der österreichischen Presseagentur "Kathpress" (Donnerstag). Nun seien hoffentlich die direkten Kampfhandlungen vorbei, von einer Lösung des grundsätzlichen Konflikts sei man aber noch weit entfernt. "Für den Frieden braucht es mehr Mut als für den Krieg", so der Kardinal wörtlich.
In Gaza leben noch exakt 621 Christen, so der Patriarch. Sie teilten sich auf zwei Pfarreien auf - eine katholische und eine orthodoxe. Das Ausmaß an Zerstörung im Gazastreifen bezeichnete der Kardinal als unvorstellbar. Bei seinem letzten Aufenthalt in Gaza im vergangenen Dezember sei ihm aufgefallen, wie müde die Menschen inzwischen seien. Für sie gehe es jeden Tag ums Überleben. "Ich frage mich, wie es jemals wieder möglich sein wird, einen Normalzustand herzustellen. Das wird Jahre beanspruchen", sagte Pizzaballa.
Wendepunkt beim Dialog
Der Patriarch räumte ein, dass es seit dem 7. Oktober 2023 Schwierigkeiten im katholisch-jüdischen Dialog gebe. Pizzaballa sprach dabei von einem Wendepunkt: "Bisher war der Dialog sehr auf die Vergangenheit fokussiert, das ist sehr wichtig, aber über andere Fragen wurde weniger gesprochen, etwa über die Interpretation der Heiligen Schrift, oder das gemeinsame Verständnis der Menschenrechte." Auch bei der Rolle des Staates Israel habe es Missverständnisse gegeben: "Während für die Europäer Israel in erster Linie als Staat gilt, ist es für die Juden weit mehr. Darüber müssen wir verstärkt in einen respektvollen Austausch gehen."
Eindringlich appellierte der Patriarch an die Christinnen und Christen im Westen, wieder als Pilger ins Heilige Land zu kommen. Die klassischen Pilgerziele könne man alle gefahrlos besuchen und vor allem auch die im Tourismus tätigen einheimischen Christen seien dringend auf die Pilger angewiesen. Die wirtschaftliche Not ohne Perspektiven zwänge immer mehr christliche Familien zur Auswanderung. Das sei angesichts der ohnehin geringen Zahl der Christen ein schlimmes Zeichen, beklagte der Kardinal. Die verbliebenen einheimischen Christen im Westjordanland bezifferte der Patriarch mit rund 45.000 bis 50.000, jene in Israel mit 37.000.