
Bamberg (kem) – Es sind Bilder, wie man sie von Wahlen kennt. Wahlurnen, Berechtigungsscheine, eine ernste Atmosphäre liegt in der Luft. Doch was hier zu sehen ist, ist keine Bundestagswahl oder Landtagswahl im eigentlichen Sinne. Es handelt sich um eine Juniorwahl. „Wir veranstalten regelmäßig solche Wahlen an unserer Schule. Es ist beachtlich, wie ernst die Jugendlichen es nehmen, hier ihre Stimme abzugeben“, sagt Julia Behr. Die Fachschaftleiterin für Geschichte sowie Politik und Gesellschaft (PuG) ist am Franz-Ludwig-Gymnasium „Beauftragte für gelingende Demokratieerziehung“ und weiß, dass man nicht früh genug damit anfangen kann, die Schülerinnen und Schüler an dieses wichtige Thema heranzuführen.
Daher veranstaltet das Bamberger Franz-Ludwig-Gymnasium schon seit Jahren Aktionen zum Thema Demokratie und Verantwortung. Mit Vorträgen zum Beispiel zum Mauerfall, Podiumsdiskussionen zur Europawahl, Gedenkveranstaltungen oder Wanderausstellungen wollen die Lehrkräfte die Kinder und Jugendlichen für das sensibilisieren, was in Deutschland wichtig ist, und deutlich machen, aus welcher Historie heraus dieses Land entstand.
Externe Experten
Dabei müssen es nicht immer die Lehrkräfte selbst sein, die dies den Schülerinnen und Schülern vermitteln. Von Jugendkreisrätinnen über Zeitzeugen bis hin zu Richtern holt sich Julia Behr – gemeinsam mit ihren Kollegen – gerne auch externe Dozenten an die Schule, um Wissen zu vermitteln. Dabei fällt natürlich auch auf, dass sich die junge Generation durchaus für diese Themen interessiert. „Wir bemerken seit einigen Jahren ein wachsendes Interesse der Kinder und Jugendlichen an den aktuellen Themen in der Welt“, erinnert sich Lehrerin Behr. Daher sei es wichtig, dass sich die Schülerinnen und Schüler „in ihrer Lebenswirklichkeit dazu äußern können und jeder nach seinem Talent auch in die Diskussion mit einsteigen darf.“
„Wir versuchen hier, die gesamte Schulfamilie mit einzubeziehen“, betont Schulleiterin Saskia Hofmeister. Sie ist froh über das große Engagement ihrer Kollegen und erklärt, dass die Demokratie-Erziehung in ihrem Haus auf vier Säulen basiere. Neben den Lehrplaninhalten und den zusätzlichen Aktionen sei dies zum einen die Mitbestimmung. „Das geht schon bei der Klassensprecher- und SMV-Wahl los und setzt sich in der Arbeit des Elternbeirats fort, in dem es seit neuestem auch einen Arbeitskreis Demokratieerziehung gibt“, so Hofmeister.
Auch die Juniorwahl gehört zur Mitbestimmungssäule. „Wenn die SMV die Wahlunterlagen in den achten bis zwölften Klassen verteilt, wird dann auch untereinander diskutiert“, ergänzt Julia Behr „Auch am Ergebnis der Wahlen nehmen die Jugendlichen regen Anteil.“
Eine Reaktion, die auch auf Hofmeisters vierte Säule zurückzuführen sein dürfte – die Erinnerungskultur. „Wir waren von Anfang an – also seit 1890 – eine Schule, die sowohl Jungen als auch Mädchen und auch jüdischen Kindern offenstand. Aus dieser Tradition heraus empfinden wir es als besondere Verpflichtung, die Erinnerung aufrechtzuerhalten“, sagt Saskia Hofmeister.
Bis 1938 ermöglichte der damalige Schulleiter Wilhelm Schäfer jüdischen Kindern weiterhin den Schulbesuch und das Ablegen des Abiturs. Aufgrund seiner Verdienste wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg auch wieder als Schulleiter eingesetzt. Ein Grund dafür, dass Fritz Brandes, einer der jüdischen Schüler des Neuen Gymnasiums, dem die Flucht nach England und damit in die Sicherheit gelang, das FLG im Nachhinein als „Bollwerk gegen den Nationalsozialismus“ bezeichnete.
Auch diese Historie hält man am Gymnasium am Leben, nicht zuletzt durch den Film „Wenn Zeiten Dich ändern“, den Schülerinnen und Schüler unter der Regie von Julia Behr und Joachim Bickel drehten oder auch durch den interkulturellen Erinnerungsort, der am Eingang des Schulhauses zu sehen ist.
Im Alltag integriert
Ein wenig unscheinbar auf den ersten Blick sind hier die Namen jüdischer Schüler in die Pausenbänke eingelassen. Doch so erfüllt der Ort, in dessen Innerem neben der Statue von Namensgeber Franz Ludwig von Erthal auch das „Positiv“ des Kunstwerks „Säule“ vom israelischen Künstler Micha Ullman am Domberg zu sehen ist, einen wichtigen Zweck: Die Erinnerung ist in den Schulalltag eingebunden. „Kinder sitzen hier und essen ihr Pausenbrot und manchmal erkundigen sie sich dann, wer denn die Namen sind, die auf den Bänken eingraviert sind“, so Julia Behr.
Demokratiebewusstsein in den Alltag integrieren, das ist für Hofmeister und Behr wichtig. „Wir müssen aus der Vergangenheit unsere Lehren ziehen und das Bewusstsein dafür haben, dass jeder einzelne Verantwortung für die Demokratie trägt“, erklärt die Schulleiterin. Und so kann es sein, dass in den Verfassungsviertelstunden Menschen- und Kinderrechte in Religion diskutiert werden, ein Grundrecht in Kunst grafisch dargestellt werden soll oder in Latein das Thema Wehrpflicht auf den Tisch kommt. „Wir verteilen die Verantwortung im Kollegium auf viele Schultern und das funktioniert gut.“
„Auf Augenhöhe“
Denn „das Thema Demokratie ist aktueller denn je“, erkennt Julia Behr. „Und wir müssen Tag für Tag – auch mit den Kindern – daran arbeiten.“ Dabei sei eine „Kommunikation auf Augenhöhe“ von höchster Bedeutung. „Wir wollen mit allen ins Gespräch kommen und im Gespräch bleiben“, erklärt Saskia Hofmeister. „Schülerinnen und Schüler zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern zu erziehen, ist eines unserer obersten Bildungsziele.“ Partizipation, gelebte Erinnerungskultur und interkultureller Austausch machen am Franz-Ludwig-Gymnasium eine gelingende Demokratieerziehung aus.