
München (KNA) – Aufbrüche in ein neues Leben faszinieren Menschen immer wieder – ob im Film, der Literatur oder ganz konkret nach einem gemeisterten Schicksalsschlag. Solch einen Schritt bei anderen mitzuverfolgen ist das eine; ihn selbst zu tun ist dagegen eine ganz andere Herausforderung. Dabei hat wohl jeder – überdrüssig vom Job, dem grauen Alltag oder der eingefahrenen Partnerschaft – schon einmal davon geträumt. Wie aber den Neustart umsetzen?
Melanie Wolfers und Andreas Knapp, beide Ordensleute, haben dazu jetzt ein Buch geschrieben. Beide haben einst selbst solch einen inneren Ruf nach einem anderen, erfüllenderen Leben vernommen und einen „radikalen Aufbruch“ gewagt – ins Ordensleben. Auch wenn sich Theologin Wolfers als Seelsorgerin an der Münchner Universität wohl „wie ein Fisch im Wasser“ gefühlt habe, ist sie, wie sie sagt, ihrer inneren Unruhe gefolgt – und trat bei den Salesianerinnen ein.
Knapp, vormals Direktor eines Priesterseminars, schloss sich den „Kleinen Brüdern“ an, zunächst als Reinigungskraft mit Wischmopp und Zeitdruck in einem französischen Seniorenheim.
Zu enger Horizont
Beide hatten eine Ahnung, dass das Leben noch mehr für sie bereit halten könnte. Das „Gefühl einer unerfüllten Leere“ habe sich bei ihnen breit gemacht, erinnern sie sich in ihrem „Atlas der unbegangenen Wege. Beide kennen die Erfahrung: „Der gewohnte Horizont wird zu eng, der vertraute Alltag passt einem nicht mehr“. Dieses Erleben deuten sie als Wandlungskrisen – von einer Lebensphase zur nächsten. Statt sich dem Lebensruf zu verweigern, gelte, es „stets voranzuschreiten auf der Reise zu sich selbst“ – ganz so, wie es auch Hermann Hesse in seinem bekannten Gedicht „Stufen“ ausdrückt.
Wie aber die Stimme der Sehnsucht wahrnehmen? Im lauten und durchgetakteten Alltag hat sie es schwer. Wolfers und Knapp raten deshalb, regelmäßig in die Stille zu gehen – und auch die Fastenzeit zu nutzen, um sich selbst wieder auf die Spur zu kommen. Das ist durchaus wörtlich gemeint, etwa durch Pilgern. Die Autoren, beide begeisterte Pilger, sehen das Pilgern bei Wandlungsprozessen als unterstützendes Ritual. Äußere und innere Wandlungsschritte vollziehen sich aus ihrer Erfahrung zusammen; Schritt für Schritt komme man sich selbst entgegen.
Auch wenn sich auf dem Weg mitunter Stolpersteine und Hindernisse auftun. „Viele wollen ein neues Leben anfangen, aber kaum jemand will sein altes aufgeben“, beobachten sie. Wolfers und Knapp wissen um „Aber-Geister“, Ängste und „Schwellenhüter“, die sich nun auftun. Dass das Folgen des „heiligen Rufes“ auch Unsicherheiten, Rückschläge, Dämpfer und inneres Chaos umfasst, verschweigen sie nicht. „Enttäuschungen und Misserfolge gehören einfach dazu – ähnlich wie das Hinfallen beim Laufenlernen.“
Am Leben vorbei
Aus Furcht vor Veränderung die eigene Komfortzone nicht zu verlassen, mag bequem, aber langfristig nicht lebensdienlich sein. Als geistliche Begleiter kennen Wolfers und Knapp die Folgen, wenn ein Mensch einen überfälligen Schritt zur nötigen Veränderung nicht wagt. „Es schmerzt sehr, wenn sich jemand eines Tages eingestehen muss: Ich habe die Chance einer Veränderung verpasst und an mir selbst vorbeigelebt.“
Eigene Möglichkeiten
Wer hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibe, könne sich eines Tages nur noch „traurig von der Person verabschieden, die man hätte werden können“, warnen beide.
Die gute Nachricht: Kleinere und größere Veränderungen sind immer möglich. „Jeder neue Tag bietet die Chance, sich auf einen weiterführenden Lebensimpuls einzulassen.“
„Das Leben liegt vor uns wie eine unbekannte Landschaft, die es zu durchqueren gilt“, sagt Wolfers. Das Buch der beiden möchte laut der Theologin eine innere Landkarte sein, „um besser durch die Umbruchzeiten navigieren zu können“. Persönliche Tagebucheinträge von ihr und Co-Autor Knapp zum eigenen Wandlungsprozess sowie Impulsfragen für den eigenen Weg runden das Buch ab.