
Nürnberg (buc) – Es gehört schon eine Portion Verwegenheit dazu, gleichzeitig Fan des 1. FC Nürnberg und der SpVgg Greuther Fürth zu sein. Ähnlich abenteuerlich ist es wohl, als Kabarettist am Aschermittwoch aufzutreten – in einer katholischen Kirche. Nur wenige können derlei Gegensätze so virtuos in sich vereinigen wie Klaus Karl-Kraus, der fränkische Musiker und Lebenskünstler. Voriges Jahr hat er sich beim fränkischen Kultfasching in Veitshöchheim verabschiedet, beim ersten Mal ohne ihn traten dort AfD-Politiker als Abschiebepiloten auf. Vielleicht meint KKK auch das, wenn er ausdrückt, wie sehr er „kotzen“ könnte, wenn er sich heute die Welt anschaut.
„Ruck amal“, sagt eine Dame
Aber es ist nicht alles schlecht, und Karl-Kraus hat jede Menge gute Laune und Gelassenheit mitgebracht, um den doch frostigen Temperaturen in der Nürnberger Citykirche St. Klara zu trotzen. Jesuitenpater Ansgar Wiedenhaus hat ihn recht spontan eingeladen, nachdem Freunde den Kontakt hergestellt hatten, doch niemand konnte wissen, dass es an diesem Abend zu Beginn der Fastenzeit so eisig im Haus Gottes sein würde. KKK macht sich nichts draus, er hat einen kleinen Heizstrahler vor dem Altar stehen und sagt, Kälte bringt die Menschen ja auch zusammen, vorhin habe er eine Dame sagen hören: „Ruck amal ...“. Also ran an den Feind.
Der Kabarettist hat seine Gitarre, ein verschmitztes Lächeln, ein paar Anekdoten aus seinem kirchlichen Leben sowie ein paar Lieder mitgebracht, die er nicht so häufig spielt, „des andere Zeuch kenna sa eh scho“, sagt der bühnenerprobte 73-Jährige lakonisch. „Wann kann ich schon solche Lieder singen?“ Also singt er „Cypress Hill“, denn am Büchenbacher Friedhof steht die Zeit ganz still, oder den „Zwetschgerbaa“, eher ein Herbstlied, aber es wird ja immer wieder mal Herbst, mindestens ein Mal im Jahr, wenn nicht öfter. Das Publikum merkt auf, wie man im Fränkischen sagt, wenn Klaus Karl-Kraus seine faszinierende Stimme erhebt, irgendwo zwischen Melodie- und Sprechgesang, hin und wieder in breitesten Dialekt verfallend, dann wieder ganz weich, sich bis in die tenoralen Höhen, ein Erlebnis.
Der gebürtige Erlanger, der auch als Sportreporter Karriere machte, will das Publikum bei dem Gratiskonzert nicht allzu lange frieren lassen, aber es bleibt genug Zeit nicht nur für die Musik, sondern auch für höchst amüsante Geschichten, er ist ein begnadeter Geschichtenerzähler mit besonderem Talent für die kleine Form, er braucht nur wenige Sekunden, um auf den Punkt zu kommen und den Zuhörenden das Schmunzeln ins Gesicht zu zaubern. Klaus Karl-Kraus ist katholisch aufgewachsen, seine Mutter Minna hat ihn großgezogen: „Da gab’s ka Diskussion, man is’ am Sonntag in die Kirchn“. Er war Ministrant, hat im Beichtstuhl mit seinen Freunden „Sünden getauscht“, wie er es nennt, die eine Mark, die er über ein Vierteljahr hinweg beim Milchholen unterschlug, hat er aber selbst gebeichtet. Wenigstens die Hälfte davon wollte er behalten, schlug dem Pfarrer einen Deal vor. Der konnte sich viel später beim Wiedersehen noch gut daran erinnern: „Der Klaus war der einzige, der im Beichtstuhl mit mir handeln wollte.“
„Den find’ ich nie wieder“
Am Aschermittwoch steht der Kabarettist nicht alleine auf der Bühne, auch Häkelpaul ist dabei, ein Stoffbär, den er bei einem Auftritt von der Häkelgruppe Weyerhof in Zirndorf geschenkt bekommen hat und der sein treuer Begleiter geworden ist. Die alte Häkelfrau Hofmann hat ihm übrigens, als die Rede auf einen String Tanga kam, eröffnet: „Den zieh’ ich ned an, den find ich nie wieder.“ Der Beweis ist erbracht, dass eine gewisse Schlüpfrigkeit auch am heiligen Aschermittwoch nicht fehlen muss.
Und selbstverständlich auch nicht der Gedanke an den Tod. Klaus Karl-Kraus wollte mal mit 80 auf der Bühne sterben, aber je näher der Termin rückt, sagt er: „Des is’ mir viel zu nah.“ Mit 90 würde ja auch noch genügen, sagt er jetzt. Und wo? Hier, vor dem Altar in St. Klara? „Des wär’ natürlich krass. Gleich die letzte Ölung dazu.“ Aber dann träumt der fränkische Komödiant doch noch von etwas ganz anderem. Sein Wunsch an die Fee: „Ich möchte so lange leben, bis der Club wieder Deutscher Meister wird.“ Da muss die Fee passen: „Das ewige Leben habe ich nicht im Angebot.“