Das Blau Dalmatiens

Heinrichsblatt-Leserreise ging nach Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro

Mit ohrenbetäubendem Lärm und einer unbeschreiblichen Kraft schießt das Wasser um die Ecke. Ungeduldig drängeln sich die kringelnden und schäumenden Massen unter der Steinbrücke, die zum Plateau führt, auf dem Touristen aus aller Welt Selfies machen. Vom Aussichtspunkt sieht man Richtung Wasserfälle; einige von ihnen dienten in den 1960/70-er Jahren als Kulisse für die Dreharbeiten von „Winnetou“ und „Old Shatterhand“. Die über 40-köpfige Gruppe aus dem Erzbistum Bamberg folgt Reiseführerin Jasminka Kozic auf dem Weg durch den Krka-Nationalpark, einen der meist besuchten Kroatiens.

Wasser ist DAS Element auf dieser Reise: gut sichtbar vom Flugzeug aus, wenn man von Weitem die schier unendliche Inselwelt der Region bewundern darf, beim Blick auf die unterschiedlichen Blautöne der Adria oder beim Erleben des glitzernden Wassers unter strahlend blauem Himmel während eines Boots-Ausflugs zur Insel Brac mit Besichtigung der beiden Fischerdörfer Povlja und Pucišca, wo es Steinmetztradition und Souvenirs aus weißem Kalkstein gibt.

Auch in Bosnien-Herzegowina spielt Wasser eine große Rolle: Erst kürzlich gab es Erdrutsche und Hochwasser; der Pegel des Flusses Neretva erzählt noch von dieser Tragödie, die auch Menschenleben gefordert hat.

Wer beim Tagesausflug nach Mostar ein schattiges Plätzchen in Flussnähe gefunden hat, darf sich glücklich schätzen, denn nach einem geführten Rundgang durch die mit abenteuerlichem Kopfsteinpflaster versehene Altstadt ist vielen nach Ausruhen zumute, nicht zuletzt, um die Eindrücke des Tages sacken zu lassen.

„Mostar ist im Jugoslawien-Krieg Anfang der 90er-Jahre fast komplett zerstört worden”, weiß die Fremdenführerin, die heute Verstärkung von einem lokalen Kollegen hat. „Den Menschen“, fügt sie hinzu, „ist es gelungen, viel Schönes wieder aufzubauen.” Dennoch hat der Krieg Wunden und Einschusslöcher hinterlassen; größer denn je wird etwa der neue Turm der Franziskanerkirche.

Bei einem Abstecher in den nahe gelegenen Balkanstaat Montenegro erhalten die Gäste weitere Einblicke: in landestypische Gepflogenheiten von Grenz- und Zollbeamten ebenso wie in Lebensweise und Kultur der Einheimischen, die im Rhythmus der Saison leben, den Tourismus als Fluch und Segen zugleich erleben. „An manchen Tagen überrennen Touristenscharen, insbesondere von den großen Kreuzfahrtschiffen, unsere Küstenstädte”, erklärt Jasminka Kozic´ auf dem Rückweg nach Kroatien. 21 Millionen Touristen insgesamt habe man allein im vergangenen Jahr im Land verzeichnet.

„In den Sommermonaten arbeiten unsere Leute überwiegend in der Gastronomie und im Fremdenverkehr“ fährt Kozic fort. „Im Winter bauen wir Ferienwohnungen aus und lassen es ansonsten etwas langsamer gehen. Da genießen wir dann zwar einerseits die Ruhe, müssen aber gleichzeitig mit dem auskommen, was die Touristen im Land gelassen haben.” Das sei mitunter herausfordernd, gibt sie zu bedenken, doch die Kroaten seien sparsam. Dennoch seien mittlerweile nicht wenige von ihnen – in den vergangenen zehn Jahren ganze 400 000 – den Touristen ins Ausland gefolgt. „Dort können sie als Busfahrer oder in der Altenpflege, in der Baubranche oder als Ärzte wesentlich mehr verdienen als in ihrer kroatischen Heimat”, so Kozic.

Sie selbst ist nach dem Krieg zurück gekommen, hatte Heimweh nach ihren Landsleuten sowie nach den Stränden und dem mediterranen Klima Dalmatiens, das – wie vielerorts – zunehmend den Folgen der globalen Erwärmung unterliegt. In Deutschland habe sie viel Unterstützung und Wertschätzung erfahren, erzählt die 52-Jährige dankbar. So manches davon kann sie zurückgeben, wenn sie ihre Gäste in diesen Tagen für eine Region sensibilisiert, die Freud und Leid erlebt hat, deren Volk einerseits Neues (er)schafft und zugleich Tradition(en) lebt.

Engagiert und mit viel Herzblut zeigt Jasminka Kozic den deutschen Touristen neben Dubrovnik, der „Perle der Adria“, auch „ihre” Stadt Šibenik mit der Kathedrale, die dem Heiligen Jakobus geweiht ist und sich etwa 80 Kilometer von der 160 000 Einwohner-Stadt Split befindet, einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte des Landes. Dort erzählt unter anderem der Diokletianpalast von längst vergangenen Zeiten. Das gar nicht weit entfernte Hafenstädtchen Trogir aus der Römerzeit und mit seinen heute 13 000 Einwohnern lädt zum Bummeln entlang der Uferpromenaden ein. Auch hier: Wasser soweit das Auge reicht, denn Trogirs Altstadt liegt auf einer Insel, erreichbar über eine Brücke.

Die Gruppe lernt auch den Ort Med-ugorje unweit der kroatischen Grenze kennen, wo es seit 1981 immer wieder Marien-Erscheinungen geben soll. Menschen aus aller Welt zünden hier Kerzen an, vertieft ins Gebet und verbunden mit denen, die ähnlich empfinden wie sie.

Verbundenheit auch innerhalb der Reisegruppe, zu der einige gehören, die nicht zum ersten Mal miteinander auf Reisen sind. Darunter auch Pfarrer Martin Battert aus Bamberg, der es als geistliche Leitung versteht, an passender Stelle mit religiösen Impulsen anzuknüpfen an gemeinsam Erlebtes. „Ruhepausen und Auszeiten”, betont der Seelsorger, „sind nicht nur für den Körper wichtig, sondern auch für die Seele.”

Ulrike Schwerdtfeger