Dunst und Nebel gehören zu dieser Jahreszeit zur Region und passen hierher: Ankommen bei sich selbst – so könnte diese Etappe der Reise des Heinrichsblattes mit dem Bayerischen Pilgerbüro ins
Piemont überschrieben sein. Es ist eine besondere Atmosphäre hier oben beim Erzengel Michael. Auf seinem mächtigen Berg, durch dessen beschwerliche Serpentinen sich der Bus zuvor Kilometer um
Kilometer gewunden hat. Zu dem die Stimmen aus dem Tal nicht ohne weiteres herauf dringen, wohin man sich ganz bewusst auf den Weg machen muss, wenn man die Klosterkirche mit ihrem gedämpften
Licht betreten möchte, um dem unaufdringlichen Gesang der Mönche zu lauschen, die Augen zu schließen, eine Kerze anzuzünden und den Moment in und auf sich wirken zu lassen. Da sein ganz bei sich,
die Welt mit all ihren Geräuschen und Gedanken draußen lassen, innehalten – dazu lädt die 1000-jährige Abtei Sacra San Michele ein: Majestätisch und in Stein gemeißelt erhebt sie sich mehr als
900 Meter über das norditalienische Susatal.
Das Piemont, eine in vielen Bereichen noch als Geheimtipp geltende Region Italiens am Fuße der Alpen besticht mit einer bunten Mischung an malerischen Landschaften, kulinarischen Köstlichkeiten
und kunstgeschichtlichen Besonderheiten.
Da sind – neben Turin, der Hauptstadt des Piemont – etwa Alba oder Asti, Städte, in denen man die Schokoladenproduktion schon von Weitem riecht, wo kleine Geschäfte und gemütliche Cafés locken
und es touristisch (noch) nicht überlaufen ist.
Außerhalb sind es die großen – im Herbst bunt gefärbten – Weinberge der Langhe, einem der berühmtesten Weinanbaugebiete der Welt, die zum Träumen und Probieren einladen. „Hier gibt es nicht nur
Idylle, sondern auch viel Geschäftigkeit“, erklärt Reiseleiterin Ursula Seeböck-Forster vom Bayerischen Pilgerbüro, seien die Menschen doch überwiegend in Lebensmittelbranche und Landwirtschaft
tätig. Nicht nur Wein und Schokolade, auch Haselnüsse gehören hier zum Broterwerb, sind vor Ort ein „Riesen-Business“, wie es Seeböck-Forster ausdrückt.
Wer es städtischer mag, flaniert etwas durch Turin, die glanzvolle Barockstadt mit ihren eleganten Plätzen und Kaffeehäusern sowie insgesamt 18 Kilometern Arkadengängen. Immer wieder begegnet
Besuchern hier – neben dem umstrittenen Turiner Grabtuch – die Dynastie der Savoyer, die von 1861 bis 1946 die Könige Italiens stellte und so wichtig für die Entwicklung des ganzen Landes
war.
„Hier wurde die Verfassung, wie sie auch heute noch in Grundzügen gilt, beschlossen – darauf sind die Turiner stolz, denn sie fühlen sich als Vorreiter“, weiß Ursula Seeböck-Forster. Gekonnt
bringt sie Wissenswertes und Skurriles unter einen Hut, nimmt ihre Zuhörer immer wieder mit auf kurzweilige Ausflüge ins Mittelalter und in die Romanik, in die Renaissance und ins Rokoko. „Die
Leichtigkeit des Seins sollte hier zelebriert werden“, erklärt sie etwa, während sie die Reiseteilnehmerinnen und -teilnehmer durch das Jagdschloss Stupinigi führt, das – als
Unesco-Weltkulturerbe – zu den Schlossperlen rund um die Residenzstadt Turin gehört.
In der 75000 Einwohner-Stadt Asti mit ihrem weltberühmten Sekt sowie einer Vielzahl an erhaltenen so genannten Geschlechtertürmen, Turmbauten aus dem späten Mittelalter, die einflussreichen
städtischen Familien zu Wohn- und Verteidigungszwecken dienten, begibt sich die Reisegruppe in den Weinberg. „Denn so sagen die Menschen hier, wenn sie den Dom besuchen“, erklärt Italien-Kennerin
Seeböck-Forster mit vielsagendem Blick auf die Kathedrale: In der ursprünglich gotischen Kirche gewaltigen Ausmaßes entdecken Interessierte sogleich Halbsäulen mit aufgemalten Weinranken und
Blättern. „Das Kircheninnere wurde barockisiert und dem Zeitgeist angepasst“, erklärt Ursula Seeböck-Forster.
Sie freut sich, dass sie der Gruppe bei dieser Reise auch die Region des Comer Sees in der norditalienischen Lombardei zeigen kann: wo Bauten unweit von Schiffsanlegern und schmalen Straßen von
Eleganz und Größe vergangener Zeiten erzählen. Wo Gärten mit Farbreichtum, Idylle und Vielfalt aufwarten, die Reichen und Schönen flanieren und spazieren.
Doch auch hier am romantisch-verträumten Lago di Como, wie er von den Einheimischen genannt wird, kann es mitunter stürmisch werden, wenn das Wasser ans Ufer peitscht und das Boot auf dem See
fest im Griff hat. „Wenn die Stürme des Lebens über uns hereinbrechen und uns das Wasser bis zum Hals steht, fällt uns das Handeln schwer“, beschreibt es Pfarrer Martin Battert, der die
geistliche Begleitung der Reise innehatte.
Mit dem Bild des Seesturms auf dem See Genezareth aus dem Markusevangelium zog er eine Parallele ins Hier und Jetzt: „Gott ist nicht der, der unsere Probleme weg zaubert und alles für uns
richtet, wenn es mal nicht rund läuft“, sagte der 51-Jährige. „Wir dürfen vertrauen, dass er uns nicht allein lässt, sondern uns begleitet, wenn die Wellen hoch schlagen – er sitzt mit uns im
Boot und schenkt uns immer wieder neu: Kraft, Mut und Zuversicht.“
Ulrike Schwerdtfeger